Wiedereingliederung von Mitarbeiter*innen

min Veröffentlicht am 03 August 2020
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Was ist eine Wiedereingliederung?

Von einer Wiedereingliederung spricht man, wenn langzeiterkrankte Mitarbeiter*innen ins Arbeitsleben zurückkehren. Da sie meist nicht sofort ihr ursprüngliches Arbeitspensum leisten können, wird häufig eine schrittweise Heranführung an die Tätigkeit vorgenommen: die sogenannte Wiedereingliederung.

Welche Wiedereingliederungsmethoden gibt es?

Zur Umsetzung stehen zwei Systeme zur Verfügung: das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) und die schrittweise Wiedereingliederung im Rahmen von § 74 des fünften Sozialgesetzbuches (Hamburger Modell). Beide werden häufig gleichgesetzt, stellen aber verschiedene Ansätze dar. 

Wie sich die beiden Ansätze unterscheiden

Der Unterschied ist das mögliche Ergebnis der beiden Methoden. Das Resultat eines BEM ist offen. Es kann auch darin bestehen, dass ein*e Arbeitnehmer*in nicht mehr an den alten Arbeitsplatz zurückkehrt. Ein anderer Arbeitsbereich in der Firma ist ebenso denkbar wie eine Veränderung des ursprünglichen Einsatzfeldes. 

Beim Hamburger Modell hingegen geht es um eine schrittweise Rückkehr an den ursprünglichen Arbeitsplatz und zum früheren Arbeitspensum.

Auch wenn die beiden Maßnahmen sich voneinander unterscheiden, können Sie dennoch eine stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil eines BEM durchführen.

Arbeitsrechtliche Kriterien

Wenn eine stufenweise Wiedereingliederung nach einer Langzeiterkrankung für eine*n Ihrer Mitarbeiter*innen geplant ist, gilt es einige Aspekte zu berücksichtigen.

Wer zahlt die Wiedereingliederung nach Krankheit?

Ihre Angestellten beziehen während der Phase der Wiedereingliederung weiterhin Krankengeld, das durch die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt wird. Die Kosten werden wie bisher in voller Höhe übernommen. Die Maßnahme ist für Sie mit keinerlei Kosten verbunden. Ihr*e Mitarbeiter*in hat während des Prozesses weiterhin den Status “arbeitsunfähig”. Das soll Arbeitnehmer*innen bei der Rückkehr zum Arbeitsplatz schützen, da sie dadurch keine finanziellen oder versicherungsrechtlichen Nachteile erleiden.

Es besteht jedoch eine ärztliche Feststellung, dass die Person ihre Tätigkeit teilweise wieder aufnehmen kann. Dies entspricht allerdings keiner Gesundschreibung und verpflichtet Sie entsprechend nicht zu der Zahlung des Entgeltes.

Manche Arbeitgeber*innen bieten den zurückkehrenden Mitarbeiter*innen während dieser Zeit auf freiwilliger Basis Zahlungen für die geleistete Arbeit an. Dies kann sich jedoch negativ auswirken. Der Betrag muss bei der Krankenversicherung angegeben werden und die Leistungen werden entsprechend gekürzt.

Aspekt der Freiwilligkeit

Für jede Form der Wiedereingliederung nach Krankheit gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Sowohl der*die Arbeitnehmer*in als auch die Krankenkasse können eine Maßnahme ablehnen. 

Sie als Arbeitgeber*in müssen Ihre*n Mitarbeiter*in durch das Angebot eines Wiedereingliederungsmanagements unterstützen. Sie haben jedoch die Möglichkeit einen schrittweisen Prozess abzulehnen und können Angestellte dazu auffordern, erst nach vollständiger Genesung wieder zur Arbeit zu erscheinen.

Wer bestimmt die Arbeitszeit?

Die Arbeitszeit wird ärztlich festgelegt. Sie können als Arbeitgeber einen sogenannten Wiedereingliederungsplan verlangen. Der Arzt oder die Ärztin erfasst darin den gesamten Zeitraum, in dem die Maßnahme stattfinden soll. Hierzu zählen sowohl die Anzahl der angedachten Wochen als auch die damit verbundenen täglichen Arbeitsstunden inklusive der Art der zulässigen Belastung. 

Auch eine Einschätzung zur vollumfänglichen Wiederherstellung der Arbeitskraft sollte Bestandteil des Plans sein. Weiterhin werden Belastungsgrenzen, damit verbundene Einschränkungen und gegebenenfalls erforderliche unterstützende Maßnahmen bei den Arbeitstätigkeiten benannt.

Ab wann ist eine Wiedereingliederung sinnvoll?

Der Beginn hängt eng mit der Krankheitsursache zusammen. Es ist hierbei sinnvoll, dass Arbeitnehmer*innen während der Genesungsphase ihren Arzt kontaktieren und diesen auf einen geeigneten Zeitpunkt ansprechen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der*die behandelnde Arzt*Ärztin von sich aus eine stufenweise Wiedereingliederung vorschlägt. Ihr*e Mitarbeiter*in kann in dem Fall selbst entscheiden, ob er*sie eine solche Option wahrnehmen möchte.

Wie lange muss der*die Arbeitnehmer*in krank gewesen sein?

Der Beginn der Maßnahme ist in der Regel mit einem verbesserten gesundheitlichen Zustand verbunden. Dadurch wird eine begrenzte Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglicht. 

Zudem muss die betroffene Person mindestens sechs Wochen krank geschrieben sein. Oft kann es mehrere Monate dauern, bevor eine Eingliederungsmaßnahme in gesundheitlicher Hinsicht sinnvoll ist. Der Abschluss vorausgehender Reha Maßnahmen ist beispielsweise ein häufiger Zeitpunkt für den Start der Wiedereingliederung.

An den ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren

Das Hamburger Modell sieht einen Einsatz am ursprünglichen Arbeitsplatz vor. Es geht wesentlich darum, die stufenweise Rückkehr in das bisherige Arbeitsfeld zu erleichtern.

Sollte der*die Arbeitnehmer*in jedoch nicht gesetzlich, sondern privat krankenversichert sein, ist eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell nicht möglich. In dem Fall steht ausschließlich das BEM zur Verfügung.

Ablauf einer stufenweisen Wiedereingliederung

Das Prozedere einer Maßnahme zur Wiedereingliederung durchläuft verschiedene Phasen. Die einzelnen Etappen reichen von der Anfrage bei Arbeitgeber*in und Kostenträger bis hin zu einer erfolgreichen Rückkehr an den Arbeitsplatz.

Zielgruppe für das Hamburger Modell

Wenn Ihr*e gesetzlich krankenversicherte*r Mitarbeiter*in im Anschluss an eine längere Erkrankung wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren möchte, ist er*sie meist auf Unterstützung angewiesen. Eine lange krankheitsbedingte Abwesenheit bedeutet nicht, dass Arbeitnehmer*innen anschließend auch sofort wieder in vollem Umfang leistungsfähig ist.

Wenn der*die zuständige Arzt*Ärztin der Ansicht ist, dass eine ausreichende Belastbarkeit für eine Wiedereingliederung gegeben ist, wird er der Maßnahme zustimmen oder sie selbst vorschlagen. Ebenso kann ein*e Arbeitnehmer*in von sich aus eine Anfrage bei Ihnen, seinem*seiner Arzt*Ärztin oder dem*der jeweiligen Kostenträger*in stellen.

Wie lange dauert die Maßnahme?

Zur Dauer einer Wiedereingliederung gibt es keine verbindlichen Angaben. Sie hängt vom aktuellen gesundheitlichen Zustand der angestellten Person ab. Der übliche Zeitraum liegt bei einem bis zwei Monaten, allerdings sind auch bis zu sechs Monate durchaus üblich. Der Arzt wird diese Entscheidung vor dem Hintergrund der individuellen Belastbarkeit treffen. Sehr schwere Erkrankungen ziehen meist eine deutlich längere Wiedereingliederungszeit nach sich. Die maximal mögliche Gesamtzeit liegt bei 12 Monaten.

Was sind die Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung?

Um die Maßnahme beginnen zu können, muss vorab ein sogenannter Stufenplan im Sinne eines Wiedereingliederungsplans erstellt werden. Dieser wird vom*von der behandelnden Arzt*Ärztin verfasst und beschreibt den genauen zeitlichen Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung. Der Plan bedarf der Zustimmung durch Sie als Arbeitgeber*in und gleichermaßen durch die Krankenkasse oder den Reha-Träger. 

Üblich ist ein allmählicher Beginn mit sehr wenigen Arbeitsstunden, die sich dann im weiteren Verlauf, je nach Leistungsfähigkeit, allmählich steigern. Auch die Zuständigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten werden nach und nach angepasst beziehungsweise erhöht. Ziel ist am Ende eine vollständige Rückkehr in den Beruf am bisherigen Arbeitsplatz.

Der Stufenplan ist nicht statisch. Ihr*e Mitarbeiter*in wird regelmäßig über Erfolg und eventuelle Rückschläge mit dem*der eigenen Arzt*Ärztin sprechen. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, die Gegebenheiten an die aktuelle Befindlichkeit anzupassen, um die gesundheitlichen Fortschritte nicht zu gefährden.

Wie läuft die Antragstellung ab?

Sobald der Stufenplan erstellt ist, muss Ihr*e Mitarbeiter*in die Wiedereingliederung bei der Krankenkasse beziehungsweise dem Rentenversicherungsträger beantragen. Dabei ist ein*e Arzt*Ärztin behilflich, der auch klärt, welche*r Versicherungsträger*in zuständig ist. 

Wenn Ihr*e Angestellte*r unmittelbar vor Beginn der Maßnahme eine rehabilitative Leistung in Anspruch genommen hat, geht der Antrag direkt an den Rentenversicherungsträger. In dem Fall muss der Beginn der Wiedereingliederung spätestens vier Wochen nach dem Reha-Abschluss stattfinden.

Was tun, wenn der Antrag abgelehnt wird?

Wird der Antrag abgelehnt, sollte sich Ihr*e Mitarbeiter*in binnen zwei Wochen an die Krankenversicherung wenden, die ihrerseits die Wiedereingliederungsmaßnahme prüft.

Ist Ihr*e Mitarbeiter*in zunächst mit einer Ablehnung konfrontiert, ist es hilfreich, wenn Sie bei den weiteren Schritten unterstützen. Dies kann beispielsweise in Form einer Nennung von koordinierenden Stellen geschehen. Zuständig ist der Sozialdienst der Rehabilitationseinrichtung, aber auch unabhängige Sozialverbände sowie die Fachstelle für unabhängige Teilhabeberatung (EUTB).

Die finanzielle Absicherung

Die Wiedereingliederung ist mit einer finanziellen Sicherheit für Ihre*n Mitarbeiter*in verbunden. Da er*sie weiterhin als arbeitsunfähig gilt, hat er*sie wie zuvor Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld durch seine Krankenkasse. Die Höhe liegt auch während der Maßnahme bei 70 Prozent des Bruttogehaltes. Entscheidend ist hierbei, dass die maximale Bezugsdauer von 78 Krankheitswochen noch nicht überschritten wurde.

Erfolgt die Wiedereingliederung im Anschluss an eine Rehabilitation, so zahlt der Reha-Kostenträger ein sogenanntes Übergangsgeld. Die Höhe liegt bei 75 Prozent des Bruttogehaltes für Personen mit Kindern und 68 Prozent bei versicherten Arbeitnehmer*innen ohne Kinder.

Unterbrechung und Abbruch einer Wiedereingliederung

Da Ihr*e Arbeitnehmer*in rechtlich als arbeitsunfähig eingestuft ist, kann er*sie während der Maßnahme keinen Urlaub nehmen. Der Anspruch verfällt jedoch nicht, sondern steht nach der regulären Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit weiterhin zur Verfügung. Auch Urlaubsübertrag ist im Falle einer langen Erkrankung möglich.

Sollten betriebliche oder gesundheitliche Gründe eine Unterbrechung erfordern, so ist dies für höchstens sieben Tage möglich. Danach gilt der Prozess offiziell als gescheitert beziehungsweise beendet. 

Welche Möglichkeiten gibt es, wenn sich der Gesundheitszustand verändert?

Bei einer erneuten Verschlechterung des Gesundheitszustands haben Sie, wie auch der Kostenträger, jederzeit die Möglichkeit, die Maßnahme abzubrechen. Der betroffenen Person entstehen dadurch keine Nachteile. Sie gilt im Anschluss weiterhin als arbeitsunfähig erkrankt.

Auch eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation des*der Arbeitnehmers*Arbeitnehmerin kann zu einem vorzeitigen Abbruch der Wiedereingliederungsmaßnahme führen. Hierzu sind eine Absprache zwischen Ihrem*Ihrer Angestellten und Ihnen sowie eine positive Rückmeldung des*der behandelnden Arztes*Ärztin erforderlich.

Fazit

Eine stufenweise Wiedereingliederung bedeutet für erkrankte Arbeitnehmer*innen eine wertvolle Unterstützung bei der Reintegration in den Berufsalltag. Personalverantwortlichen entstehen keine Kosten, und der Prozess wird in seiner Gesamtheit medizinisch begleitet. Von einer allmählichen Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit profitieren auf lange Sicht alle Seiten.

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